Tag 21. Auf einmal sehe ich mein zu Hause mit vollkommen anderen Augen. Ich entdecke Dinge, über die ich froh und dankbar bin, dass ich sie habe. Und dann entdecke ich Dinge, die ich anders haben möchte, ausgetauscht, verbessert. Irgendwann, wenn es wieder möglich ist. Inzwischen kenne ich jeden Quadratzentimer dieser Wohnung und eigentlich will ich nur noch eines: Rausgehen, Abwechslung, Normalität. Doch es geht nicht. Schon seit 21 Tagen nicht mehr. Während anfangs viele mit mir mitfühlten ohne es selber nachvollziehen zu können, ist inzwischen, wenn auch aus anderem Grund, eine Vielzahl der Leute in der selben Situation.
Als es bei mir losging, hatte die Situation schon längst angefangen zu eskalieren. Doch so richtig bemerkt hatten es wohl zu dem Zeitpunkt nur die wenigsten. An dem Morgen als mein Hausarzt mich in die Notaufnahme schickte und ich bereits wenige Stunden später operiert wurde, hatten wir erst 48 Fälle in Deutschland. Und die waren weit weg. Zu dem Zeitpunkt hatte ich keinen Nerv mich mehr damit zu beschäftigen, denn ich war vielmehr mit meinem eigenen Drama beschäftigt. Schon wieder eine Operation? Schon wieder verdammt dazu zu sein zu Hause rumzuhocken? Jetzt, wo es gerade wieder bergauf ging? Doch es gab keine andere Möglichkeit und ich musste es über mich ergehen lassen. Zum Glück verbrachte ich nur eine Nacht im Krankenhaus und konnte dann erst Mal wieder nach Hause. Tägliche Arztbesuche, tägliche Wundsäuberung, täglicher Verbandwechsel. Und das wochenlang. Was für eine Aussicht.
Zu Hause kam es mir vor, als hätte ich eine Zeitreise gemacht. Da saß ich nun wieder. Wie bereits einige Monate zuvor. Bewegungseingeschränkt, motiviert ohne Ende Dinge zu tun, auf die ich jetzt erst mal Wochen, wenn nicht sogar Monate verzichten muss, und bereits ziemlich gelangweilt. Also schaute ich Nachrichten, ließ mich bekochen, ging zum Arzt. Tag für Tag. Anfangs war die Praxis auch noch voll. Doch mit jedem Tag, wo die Zahlen innerhalb Deutschlands stiegen, kamen weniger Leute. Irgendwann kam der Punkt, als ich mich fragte, ob ich mich nicht lieber glücklich schätzen soll, krankgeschrieben zu Hause zu sitzen. Als ich mich etwas besser bewegen konnte, begann ich zu backen. Fantakuchen, Käsekuchen, Preiselbeerkranz. Fast täglich gönnte ich mir ein bis zwei Stunden in der Küche. Was für eine Abwechslung.
Dann gab es kein Mehl mehr. Mit dem Backen war es also erst einmal vorbei. Irgendwann musste ich schließlich nicht mehr jeden Tag in die Praxis, sondern der Verbandwechsel konnte zu Hause gemacht werden. Dafür brauchten wir aber Material. Kompressen, Pflaster, Einweghandschuhe, Küchenrolle, Desinfektionsmittel. Nun ja, letzteres ist natürlich in der heutigen Zeit ein absolutes Luxusgut und anscheinend nicht mehr denen vorbehalten, die es wirklich brauchen. Und auch die Einweghandschuhe werden inzwischen knapp und daher haben wir, verzeiht es mir, gleich zwei Packungen gekauft. 200 Einweghandschuhe. Das sollte erst einmal reichen. Pro Verbandwechsel gehen ca. zwei bis drei Paare drauf. Wir sind absolute Anfänger was die offene Wundversorgung angeht und verbrauchen dementsprechend bestimmt auch mehr Material als Leute, die aus dem medizinischen Bereich kommen und genau wissen was sie da tun. Aber so ist es jetzt nun einmal.
Mein Partner, die Katze, mein Hausarzt. Die Anzahl meiner sozialen Kontakte hat sich stark minimiert. Vielleicht lag es einfach daran, dass ich viel zu viel Zeit damit verbrachte, jede Eilmeldung auf meinem Handy zu lesen, stetig den Liveticker zu aktualisieren und sämtliche Sondersendungen zu verfolgen; aber ich beschloss schon früh meine sozialen Kontakte stark einzuschränken. Immerhin hielt ich mich fast täglich in einer Arztpraxis auf. Kein besserer Ort um sich was einzufangen.
Und nun bin ich nicht mehr alleine. Viele, die ich kenne, sind zu Hause. Manche, weil sie Home Office machen, andere, weil der Betrieb geschlossen hat und wieder andere, weil sie selber in Quarantäne sind. Einige kommen mit der Situation klar, einige nicht. Für viele ergeben sich neue Herausforderungen und jeder hat andere Sorgen. Und ja, die Situation ist scheiße. Es ist einfach so.
Zu Hause zu bleiben, heißt nicht nur sich und andere zu schützen. Je eher wieder ein wenig Normalität einkehrt, desto schneller geht es auch mit unserer Wirtschaft wieder bergauf.
Für alle die, die ein wenig Unterhaltung in dieser Situation brauchen und von fernen Orten träumen möchten, habe ich weiterhin jeden Dienstag eine neue Geschichte für euch parat. Viele Artikel habe ich bereits einige Wochen zuvor geschrieben, doch ich werde sie nicht der jetzigen Situation anpassen. Welch eine Ironie, dass genau in dieser Woche der Artikel über meine Gallensteine online gegangen ist. Ich beendete ihn mit dem Worten „Heute geht es mir wieder gut. Und das ist alles was zählt.“
Geht es mir gut? Nun ja, ich bin auf täglich medizinische Behandlung angewiesen und das Timing dafür ist momentan echt nicht gut. Aber ich habe ein Dach über den Kopf, bin versorgt und weiß, dass ich mit meinem eigenem Verhalten positiv zu jetzigen Gesamtsituation beitragen kann. Und vielleicht ist es einfach genau das, was im Moment zählt.
Ich wünsche dir eine ganz schnelle Genesung☘️Hoffentlich gibt es bald wieder Mehl – ich vermisse das Backen auch total!
Vielen Dank :-)
Von Herzen alles Gute!!!
Lieben Dank dir!