Ich, die Teilzeitolympionikin.

Unsportlich. Das bin ich. Insbesondere was den Wintersport angeht. Ich mein, ich hab’s ein, zwei Mal mit dem Skilaufen versucht, aber so richtig was daraus geworden, ist es nicht. Was soll’s. Dafür schaue ich es mir gerne an. Insbesondere Biathlon hatte es mir angetan, damals als ungefähr Achtjährige. Seitdem war ich jahrelang Feuer und Flamme und habe mir fast jedes Weltcuprennen angeschaut, sofern sie nach der Schule liefen. Insbesondere bei Olympia war ich immer voll dabei und freute mich über jede gewonnene Medaille. Ein wenig so, als ob ich selbst die Leistung erbracht hätte. Dem war natürlich nicht so und ich kann viele verstehen, die sich darüber aufregen, dass man einen Sport toll findet und ihn vor der Matschscheibe verfolgt anstatt ihn jemals selbst ausgeübt zu haben. Doch eines Tages hatte ich genau eben diese Chance, die ich letztendlich auch ergriff. Auch wenn mich das allerhand Überwindung kostete. 

Der Olympiaschießstand in Whistler.

Kanada. 2014. Ich hatte mir für die Reise eigentlich nur eine Sache vorgenommen, die ich unbedingt erleben wollte. Nun ja, so richtig vornehmen kann man sich das nicht, aber man kann einfach darauf hoffen: Einen Bären zu sehen. Mitte September sollte ich gute Chancen haben, so sagte man mir. Denn dann kommen die Bären alle noch mal raus um sich für den Winter fett zu fressen. Und tatsächlich, ich hatte Glück. Bereits am zweiten Tag meiner Reise sah ich in der Nähe des Lake Louise meinen ersten Bären. Das war auch nicht der einzige, denn ein paar Tage später hatte ich im Jasper Nationalpark erneut Glück. Bevor ich überhaupt eine Woche in Kanada war, hatte ich mein Ziel also bereits erreicht. Doch irgendwann kamen wir nach Whistler. Eigentlich waren wir bereits wieder auf dem Weg nach Vancouver, doch den Schlenker nach Whistler machten wir gerne, da es bei dem Städtenamen in meinem Kopf klingelte. Whistler verband ich mit den Olympischen Winterspielen, die 2010 in Vancouver stattfanden und teilweise in Whistler ausgetragen wurden. Auf meiner Kanadareise hatte ich mir bereits die Olympiastätten von Calgary angeschaut und war von denen sowie von Calgary selbst nur mäßig begeistert gewesen. Doch Whistler sollte ein schöner Ort sein, hoch in den Bergen gelegen.

Attention, Bär in Sicht. Irgendwo im Nirgendwo.

Mir gefiel Whistler sofort. In der Stadt selbst lag Mitte September noch kein Schnee, doch die Berggipfel um uns herum waren schneebedeckt. Ein schöner Ausblick. Am Ankunftstag schlenderten wir durch die Stadt und genossen die frische Bergluft. Abends gingen wir bei einem Italiener essen. Am nächsten Tag machten wir uns auf den Weg zu den Olympiastätten. Auch hier wurde überall wieder vor Bären gewarnt und sofort rückte Olympia für mich in den Hintergrund. Stattdessen hielt ich Ausschau. Nach buschig schwarzbraunem Fell. Doch ich hatte zunächst kein Glück und schließlich kamen wir an den Olympiastätten an und sahen uns dort um. Es ging vorbei an den Skisprungschanzen zum Biathlonschießstand. Ein komisches Gefühl genau da zu stehen, wo Magdalena Neuner und Ole Einar Bjoerndalen vier Jahre zuvor um Medaillen gekämpft haben. Am Schießstand selbst war reger Betrieb. Zunächst dachte ich, dass Sportler dort trainierten um ihre Form beizubehalten, denn immerhin waren uns auf dem Hingweg Sportler auf Rollski entgegen gekommen. Doch nein, das an dem Schießstand waren keine Sportler, sondern Leute wie du und ich. Für 5$ konnte man am Biathlon-Olympiaschießstand auf die Scheiben schießen. Und genau das wollte ich tun. Denn nur so konnte ich ein wenig erahnen wie es sein muss Biathlet zu sein.

Die schneebedeckten Berggipfel um Whistler.

Doch ich hatte zwei Probleme: Ich war mir ziemlich sicher, dass ich nichts treffen würde und zudem hatte ich schon immer ein Problem mit lauten Geräuschen. Feuerwerk, zerplatzende Luftballons oder eben Schüsse: Nein danke, das geht einfach nicht. Aber da stand ich nun. Einer Kindheitserinnerung so nah wie es nur ging. Es war Zeit meine Angst hinter mir zu lassen.

Ich versuche mein Glück am Schießstand.

Bevor ich schließlich an der Reihe war, erklärte man mir genau wie das Gewehr funktioniert, was ich zu beachten hatte und wie ich mich an den Schießstand legen muss. Ganz genau wurde mir jeder Schritt erklärt und als ich dran war, fühlte ich mich auch um einiges sicherer als noch in den Minuten zuvor. Auch die Angst vor dem lauten Knall verschwand plötzlich, denn ich wusste: Ich habe die Kontrolle über den Abzug. Ich visierte die Scheiben an und stellte fest, dass sie sowohl verdammt weit weg als auch verdammt klein sind. Ich war froh, dass ich liegend und mit ruhigen Puls schießen durfte. Dass Biathleten es schaffen auf Skiern Runde um Runde hinter sich zu bringen und dann zwischendurch noch schießen, liegend und stehend, war für mich nach meinen Schüssen unvorstellbar. Doch ich traf. Zwar nicht alles, aber immerhin drei aus fünf. Glücklich war ich. Denn ich hatte die Chance ergriffen, bin über meinen eigenen Schatten gesprungen und kann nun ein klein wenig mehr nachvollziehen, welche körperliche Leistung die Athleten bei dieser Sportart erbringen müssen. Ein tolles, spontanes Erlebnis war das.

Ob ich dann noch einen Bären in Whistler sah? Ja, das tat ich. Aber das, meine lieben Leser, ist eine andere Geschichte.


 

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10 Gedanken zu “Ich, die Teilzeitolympionikin.

  1. Richtig schön geschrieben!
    Ich schieße öfter in Texas – mit Schrotflinten, AR 15s oder Sniper Guns – und bin immer super stolz, wenn ich eine fliegende Tontaube treffe oder einfach genau in die Mitte einer Zielscheibe, was leider zu selten vorkommt.
    Aber ich bin auch echt froh, dass wir in Deutschland so strikte Gesetze haben. Man sieht ja, was in den Staaten ständig passiert… :(
    Wie auch immer – hört sich nach einem tollen Urlaub an!
    Grüßle, Lisa

    1. Ein interessantes Hobby hast du da :) Ich habe mich mit dem Thema eigentlich nie weiter beschäftigt, wegen meiner „Knallangst“. Ich glaube, dass dieses Überwinden am Biathlonschießstand eine einmalige Sache bei mir war, aber ich kann mir gut vorstellen, dass das ein tolles Gefühl sein muss eine fliegende Tontaube zu treffen :)

  2. Witzig, Biathlon war bei mir auch gerade großes Thema. Ein faszinierender Sport. Und was sehe ich dann noch hier? Das coole Bären-Warnschild aus Kanada! Vielleicht magst du den Link zu diesem Beitrag als Kommentar unter unsere „Schilder-Bilder“-Aktion posten? Würde gut passen!
    Liebe Grüße
    Iris

  3. Schöner Bericht. Ich wollte im Winterurlaub auch mal Biathlon versuchen, aber dann kam die Schneeschmelze^^ Dafür konnte ich einmal im Gästebob die Olympiabahn in Innsbruck runtersausen. Das war auch ein sehr cooles Erlebnis. Dadurch kann man zumindest ein kleines bisschen erfahren, wie schwer solche Dinge für den Profi eigentlich sind.

    LG

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